
Wenn es um das Thema Vertragsraten geht, dann hört für Inge Pirner der Spaß sehr schnell auf. »Ich finde es äußerst kritisch, dass wir alle Zeit in die Verhandlungen investieren, und in der Prüfung der geladenen Raten stellen wir fest: Das ist die falsche Rate«, ärgert sich die Travel Managerin beim IT-Dienstleister Datev eG. »Und wenn man dann im Hotel nachfragt, heißt es zum Beispiel ›Wir haben hier leider ein technisches Problem‹ oder ›Das ist versehentlich passiert‹.«
Natürlich geht es Pirner dabei um mögliche finanzielle Einbußen. Zu schaffen macht ihr aber auch die damit verbundene notwendige Kontrolle, »dass ich checken muss, ob die geladenen Raten auch stimmen. Und: Wie soll ich denn bitte nachvollziehen – oder beweisen –, welche Kategorien da zur Verfügung gestanden haben und welche nicht?« Man müsse das jedes Mal eventuell mit einem Screenshot nachweisen – ein unrealistisches Unterfangen, zumal die Verfügbarkeiten in den einzelnen Buchungskanälen unterschiedlich sind und stets veränderbar.
»Wer ist denn bereit, Verträge zu machen, wenn die dann nicht eingehalten werden?«, resümiert Inge Pirner. Da das Phänomen falsch geladener Vertragsraten inzwischen aber weit über den Einzelfall hinauszugehen scheint, habe man beim VDR jüngst eine »Taskforce Ratenladung« eingesetzt, um Fehlerquellen zu identifizieren und anschließend so weit wie möglich zu eliminieren. Pirner: »Es geht ja nicht nur um Raten, sondern auch um Verfügbarkeiten!«

Ein Sechstel aller Firmenraten ist nicht korrekt
Tatsächlich scheint ein Blick auf das Thema Ratenladung dringend nötig. In einer von der GBTA Foundation durchgeführten Studie entpuppte sich mehr als jede sechste Rate als nicht korrekt. In einer weiteren Datenanalyse von HRS lag dieser Wert sogar bei mehr als zwanzig Prozent: Entweder stimmte der Preis nicht, oder die Zusatzleistungen waren nicht wie vereinbart enthalten.
Doch wie ist das eigentlich möglich? Wie konnte es so weit kommen? Einer der Gründe dürfte die radikal geänderte Preispolitik der Ketten vor genau zehn Jahren sein. Ob die Lindner Hotels, Accor, Best Western oder Maritim: Ab 2007 wichen sie alle von ihrer langjährigen Politik der Volumenpreise ab und schlugen ihren Firmenkunden vor, diese um Tagesraten zu ergänzen. Raten freilich, die dann auch gewissen Restriktionen unterlägen. Erklärtes Ziel: maximale Auslastung zum maximalen Preis pro verfügbarem Zimmer.
Geyieldet hatte die Hotellerie bereits seit den Neunzigerjahren. Verglichen mit den Ratenmodellen der Airlines nahm sich ihre Preispolitik aber eher dilettantisch aus. Erst der Siegeszug der neuen Medien, so formulierte es Maritim-Chefin Monika Gommolla, ermöglichte auch dem Übernachtungsgewerbe ein Pricing, das minütlich an die aktuelle Nachfrage angepasst werden konnte. Und genau das tat die Hotellerie dann auch mit dem Ergebnis, dass die verschiedenen Buchungssysteme seitdem mit einer Welle der unterschiedlichsten Raten für die unterschiedlichsten Zimmerkategorien und unterschiedlichsten Zusatzleistungen (Extras) geflutet werden.

Mangelnde Branchenstandards als zentrale Fehlerquelle
Entsprechend verweist Christian Temath, bei HRS Director Sourcing Solutions, auf den Mangel an Branchenstandards, der in vier von zehn Fällen für falsch geladene Raten verantwortlich sei. Das beginne bei Häusern mit bis zu fünfzig verschiedenen Zimmerkategorien, gehe über Währungsunstimmigkeiten bis hin zu falschen Berechnungen etwa der Frühstücksleistungen. Ist ja auch kein Wunder, räumt er ein: »Wenn die Eingabe für Extras beim Frühstück über ein Freitextfeld statt über die vorgesehene Maske kommuniziert wird, können leicht Übertragungsfehler an der Schnittstelle geschehen.«
Und dann die Buchungswege und -kanäle! Egal über welchen Kanal ein Unternehmen seine verhandelten Raten erhält: Zuvor sind sie mehrfach über Bande gespielt worden (siehe Grafik). Zum Beispiel die von Best Western. Anlässlich der Präsentation der HRS-GBTA-Ergebnisse auf dem CTF in Berlin (CTF Berlin) sagte deren Verkaufs- und Marketingdirektorin in Europa, Marina Christensen, zwar: »Die Fehlerquote schockiert mich.« Schließlich seien sowohl Hotels als auch Partner »sehr daran interessiert, Fehler zu vermeiden, zum Beispiel in den mit Firmenkunden verhandelten Volumenverträgen«.
Dennoch wähnt sie die größte Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlern erst in jenem Momentum, in dem die verhandelten Daten aus dem CRS in andere Systeme übertragen werden. Ein Beispiel: »Das GDS schickt uns an dieser Stelle einen speziellen Rate-Access-Code, mit dem dann wir unsere Daten verknüpfen müssen«, erläutert Christensen und schiebt lakonisch hinterher: »Das ist sozusagen eine ›alte Welt‹, denn GDS und auch CRS-Systeme sind historisch gewachsen und teilweise unflexibel und in ihren Funktionen veraltet. Das kollidiert oftmals mit heutigen, schnellen Websystemen, die ganz einfach auf Knopfdruck arbeiten.« Daher fokussiere Best Western weiterhin die Automatisierung der Prozess- und Übertragungsketten, um Fehlerquoten zu minimieren, so Christensen weiter.
Doch wird das ausreichen? Ein Fehler kann schließlich an jedem Punkt der Prozesskette entstehen – auch schon während der RFP-Phase, wenn etwa einem Hotelier oder seinem Key-Accounter ein Zahlendreher unterläuft. Oder ganz am Ende des Prozesses, weil ein Unternehmen auf seine Reisenden als finale Kontrollinstanz setzt. Motto: Eine fehlerhafte Rate wird ihnen schon auffallen.

Ratenaudits? Klar! Manchmal …
Aber ist das wirklich so? HRS und GBTA Foundation wollten es genauer wissen und haben Travel Manager weltweit zu ihrem Umgang mit Vertragsraten befragt. Und siehe da: Nicht korrekt geladene Vertragsraten spiegeln nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite offenbart den eher halbherzigen Umgang mit dem Thema aufseiten der Corporates. Zwar rechnet laut Studie kaum ein Travel Manager damit, dass all seine hart verhandelten Raten ausnahmslos korrekt bei seinen Reisenden ankommen. Dennoch handhabt das Gros das Thema Kontrolle mehr als lax.
Denn obgleich neunzig Prozent aller Befragten angeben, Ratenaudits durchzuführen, regelmäßig kontrolliert kaum einer. Im Gegenteil: Mehr als die Hälfte (56 %) auditiert ihre Raten lediglich dann, wenn sie in die jeweiligen Buchungssysteme geladen wurden beziehungsweise einmal pro Jahr (siehe Grafik). Nur eine Minderheit (3 %) kontrolliert wöchentlich beziehungsweise monatlich (6 %). Aber wie genau sieht diese Prüfung aus? Mehr als die Hälfte (52 %) aller Corporates stemmt sie intern, und zwar manuell, weitere 36 Prozent verlassen sich auf die Wachsamkeit ihrer Reisenden und dass diese Fehler melden.
Kate Vasiloff macht das schlicht fassungslos. Als Director Research bei der GBTA Foundation hat sie die Studie mitverantwortet und fühlt sich nun in der Pflicht zum Wachzurütteln. »Die Unternehmen lassen das Geld auf der Straße liegen«, sagt sie völlig entgeistert. »Weil sie nicht auditieren!« Und warum tun sie das nicht, wo sie vorher doch so viel Zeit und Energie auf die Verhandlungen verwendet haben? Weil sie angeblich keine Kapazitäten für interne Audits oder fürs Outsourcing haben! »Aber diese Argumente sind doch falsch«, betont Vasiloff. Denn gerade durch professionelle Ratenaudits würden die Unternehmen ja eine Menge Geld wieder hereinholen. Ihr Appell daher: »Auditiert und investiert in eure Back-End-Systeme!«
Im Visier: die Echtzeit-Auditierung
»Das Thema ist unsexy«, räumte Sarah Busse, HRS Director of Sales Strategy & Steering, während des CTF ein, »hat aber riesiges Potenzial.«
Und so kann es sein, dass viele Corporates erst die GBTA-HRS-Studie brauchten, um sich der Bedeutung dieser Materie bewusst zu werden, während man auf Anbieterseite längst fieberhaft daran arbeitet, Kontrollmechanismen jenseits der bislang üblichen GDS-Ratenaudits zu entwickeln. Das Team von HRS zum Beispiel, das vor Kurzem die automatisierte Auditierung der Firmenraten als Teil seiner Sourcing-Lösung eingeführt hat (HRS Rate Protector). Große Erwartungen verknüpft das Unternehmen auch mit der im nächsten Schritt anvisierten Echtzeit-Auditierung und -Filterung der Raten.
Und die »Taskforce Ratenladung« des VDR? Hat ebenfalls beschlossen, die Themen Standardisierung und Prüfung voranzutreiben. Ganz getreu dem Motto: »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.«
Download der Studie unter: corporate.hrs.com/de/rate-protector